Wo kein Wille ist, ist auch kein (Radschutz-)Weg
AUS! Es wird keine Radschutzstreifen in Nußloch geben!
Kommen Ihnen Schlagzeilen wie „Fahrradboom in Deutschland“ bekannt vor? Ja? Das ist in der Nußlocher Kommunalpolitik offensichtlich nicht so. Die Gemeinderatsmehrheit hat am 29. Juni beschlossen, dass die Verwaltung beim Landratsamt als zuständige Verkehrsbehörde keine Radfahr- oder -schutzstreifen auf den klassifizierten Straßen in Nußloch beantragen soll. Unsere grüne Fraktion und auch Bürgermeister Förster wurden überstimmt.
Statt Schutzzonen für RadfahrerInnen möchte man also in der Hauptstraße, der Massengasse, der Walldorfer Straße und der Sinsheimer Straße unverändert beim Mischverkehr bleiben. Es sollen „nur” vergleichsweise unverbindliche Piktogrammketten – also Radsymbole im Abstand von 25 m – auf der Fahrbahn beantragt werden.
Zum Hintergrund: Für die Einrichtung von ein- oder beidseitigen Radschutzstreifen sind gewisse Straßenquerschnitte notwendig, sodass sowohl der Kfz-Verkehr als auch der Radverkehr nebeneinander über ausreichende Fahrbahnbreiten verfügen. Dies ist z. B. in der engen Sinsheimer Straße und im oberen Bereich der Massengasse nicht gegeben. Es gibt jedoch längere, besonders breite Straßenbereiche, in denen es problemlos möglich wäre, z. T. beidseitige, zumindest aber einseitige Schutzstreifen für Radfahrende einzurichten. Dafür geeignet wären u. a. die weitläufigen Abschnitte auf der nördlichen als auch südlichen Hauptstraße, die ähnlich breit sind wie Landebahnen an Regionalflughäfen. Hier konkret: ortseinwärts von Leimen kommend kurz nach dem Kreisel am rechten Fahrbahnrand über 300 m (davon 100 m sichtbar auf dem unteren Bild) leicht ansteigend bis hoch zur katholischen Kirche (Höhe Leopoldstraße) und ortsauswärts Richtung Wiesloch, ebenfalls über eine Länge von 300 m, beginnend auf der Höhe der Abzweigung „Auf der Liß“ / Kurpfalzstraße bis hinaus zum Ortsausgang (Höhe Lorenbrücke).
Dazu im wörtlichen Sinne „am Rande“: In diesen Hauptstraßenbereichen findet z. T. ordnungswidriges, aber toleriertes Gehwegparken statt. Sich unerwartet öffnende Autotüren können hier für RadfahrerInnen zu schwerwiegenden Dooring-Unfällen führen. Dazu eine Frage: Dürfte man an der Hauptstraße auch ein Fahrrad quer zur Fahrtrichtung dauerhaft so abstellen, dass es von der Bordsteinkante 1,00 bis 1,50 m weit in die Fahrbahn hineinragt? Nicht? Warum nicht? Wenn 1,5 Tonnen schwere Autos unerlaubt 10 qm Fahrbahn- und Gehwegfläche blockieren, wird das allseits akzeptiert, während man ein derart störend abgestelltes Fahrrad seitens des Ordnungsamtes oder genervter Autofahrer umgehend entfernen würde …
Hätte man im Gemeinderat für Radschutzstreifen gestimmt, so hätte man dort das ordnungswidrige Gehwegparken unterbunden bzw. unterbinden müssen. Da blieben die einbremsenden Fraktionen dann doch lieber nur bei symbolischen Piktogrammbildchen auf der Fahrbahn … Nun, man hätte aber auch die nur insgesamt 12 bis 15 regelwidrig parkenden Autos in den relevanten Bereichen der Hauptstraße auf private Stellplätze, in eigene Garagen oder eine Seitenstraße verweisen können, damit RadfahrerInnen (wie auch der fahrende Autoverkehr) nicht mehr tagtäglich durch die Stehzeuge behindert und gefährdet werden (u. a. Notwendigkeit des Ausweichens in Richtung Fahrbahnmitte, sich öffnende Fahrertüren).
Wie auch immer: Das war’s erstmal! Was es in ganz Deutschland in Städten und Gemeinden gibt – Radschutzstreifen zur Förderung des Radverkehrs – wird es in Nußloch nicht geben. Aber das „Beste“ könnte noch kommen: Die sog. ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) als Teil des technischen Regelwerks der Straßenverkehrsordnung stammen aus dem Jahr 2010. Diese werden überarbeitet. Dazu der Wortlaut aus dem zuständigen Arbeitskreis: „Es wird angestrebt, Piktogrammketten in der zukünftigen ERA zu verankern. Die überarbeitete ERA wird voraussichtlich 2023/2024 erscheinen.“ Angestrebt? Voraussichtlich? 2023, 2024 oder gar erst 2025? Was geschieht, wenn das Landratsamt mit Verweis auf die derzeit rechtsgültige ERA Piktogrammketten ablehnt oder diese eventuell auch später nicht in die ERA aufgenommen werden? Oder, falls ja, wenn diese z. B. erst 2024 erlaubt werden? Dann gäbe es weder Radschutzstreifen noch Piktogramme – also völliger Stillstand bei der Förderung des Radverkehrs auf den Kreisstraßen – oder die ersten Piktogramme kämen erst in etwa zwei Jahren … Das wäre dann sechs Jahre nach der – im wahrsten Sinne des Wortes – „vielversprechenden“ Auftaktveranstaltung zum Nußlocher Mobilitätskonzept, welches eigentlich das Ziel hat(te), den motorisierten Verkehr im Ort deutlich zu reduzieren und die Förderung des Radverkehrs als Hauptziel postuliert(e). Im besten Fall ist es ein halbes Jahrzehnt – für etwas weiße Farbe und ein paar Linien oder Bildchen auf Asphalt für die zahlreichen Radpendler, SchülerInnen/Jugendliche, Freizeitradler, ältere MitbürgerInnen, Eltern mit Kinderanhängern, sportive Radler etc. Der Berg kreißte und gebar eine Maus.
Eure Nußlocher Grünen